Als ich heute Morgen noch vom Bett aus auf meinem Smartphone die Ergebnisse las, wollte ich erstmal gar nicht aufstehen. Vier Jahre lang die Decke über den Kopf ziehen, hat auch was Reizvolles. Aber, wie Daniel Kahn singt: "Wenn wir alle nur innerlich emigrieren, wird alles nur zur Hölle gehen." Wie wäre es stattdessen mit wirklicher Emigration? Die Website der kanadischen Regierung, die über Bedingungen zur Einwanderung ins US-Nachbarland informiert, ist schon in der Nacht vor der Masse der Anfragen zusammengebrochen. Kann ich gut verstehen, ich liebe Kanada, das unter ähnlichen Bedingungen startete wie die USA und trotzdem heute erheblich weniger gesellschaftliche Probleme hat.
Muss ich wirklich erklären, warum ich Trump schrecklich finde? Nicht hier in Deutschland, aber anscheinend ist es den Anhängern in seinem Heimatland egal, dass sich der Mann einen Skandal nach dem anderen geleistet hat, von denen jeder einzelne jedem anderen Kandidaten das Genick gebrochen hätte. Traurig-amüsiert war ich darüber, dass im prüden Amerika nach allen rassistischen Kommentaren, absurden Mauerbauplänen und Steuertricks erst seine abwertende Art, über Frauen zu reden und sie sexuell zu belästigen für einen größeren Aufschrei gesorgt hat.
Aber nicht groß genug - und wir stehen da und fragen uns fassungslos: Wie kann man so wählen? Offenbar zählen Argumente nicht. Nicht der gesunde Menschenverstand, nicht Realismus. Trump bedient diffuse Ängste und liefert scheinbar einfache Antworten. Wer da einen historischen Vergleich zieht, gerät natürlich in die Schusslinie. Ich setze ja ein wenig darauf, dass der angeblich mächtigste Mann der Welt eben nicht besonders mächtig ist, sondern von einer Riege grauer Herren in Washington gelenkt wird. Hoffen, diesmal: Wer Obamas große Pläne vereitelt hat, kann diesmal Trumps Finger vom Knöpfchen halten. Denn, wie der Mann, der seit heute keinen Job mehr hat, sagte, nachdem Trumps Beraterteam in den letzten Tagen den Twitteraccount sperrte: "If somebody can’t handle a Twitter account, they can’t handle the nuclear codes."
"Liebe AfDler, kommt doch einfach in die USA, denn hier habt ihr ganz viele tolle Freunde - wenn man euch reinlässt", verkündet Böhmermann-Kollege Ralf Kabelka. Ja, wir haben schon längst solche Wutbürger wie die, die Trump gerade zum Präsidenten gemacht haben, in unseren Parlamenten. "Das Problem ist nicht der Präsident, sondern die Leute, die ihn gewählt haben", sagte heute Morgen eine Freundin zu mir. Also geht alles den Bach runter? Ich zitiere den Tweet einer weiteren Freundin: "Es gibt solche Tage, da muss man tief durchatmen und dann weiter Kultur schaffen, die freundlich und menschlich ist." Mehr gibt es nicht hinzuzufügen.