Donnerstag, 31. Juli 2014

Daumen hoch für Daumen raus

Hallo, liebe Freunde des Sommers! Ich bin in den letzten beiden Wochen einige tausend Kilometer in Deutschland unterwegs gewesen und habe dabei einem gefährlichen Risikosport gefrönt - zumindest, wenn man nach den Reaktionen meiner Familie und Freunde geht. Und damit meine ich nicht das Paragliding, bei dem ich mir vor zwei Jahren tatsächlich böse das Bein verdreht hab (und es trotzdem jedem empfehle als wunderbares Erlebnis).


Nein, ich habe auf einer Autobahnraststätte zwei Anhalter mitgenommen. Männliche. Und dabei bin ich auch noch Wiederholungstäter. So wie Reinhard Mey in seinem Lied "Drei Jahre und ein Tag" dafür plädiert, Handwerker auf der Walz mitzunehmen, breche ich eine Lanze für den Anhalter ohne Zimmermannskluft. Warum? Weil es sich dabei meiner Erfahrung nach um interessante und weltoffene Menschen handelt, deren Geschichten eine lange Autofahrt besser verkürzen können als jedes Hörbuch.

Abdullah und Florens zum Beispiel. Die sind tatsächlich Handwerker, aber nur in ihrer Freizeit per Anhalter unterwegs. "Das ist die beste Art zu reisen", sagt Abdullah, während Florens auf der Rückbank, eingepfercht zwischen Rucksäcken, Zelt und Isomatten, sofort einschläft. Die beiden haben ihren Urlaub an der Ostsee verbracht und sind auf dem Weg zurück nach Baden-Württemberg. Drei Stunden auf eine Mitfahrgelegenheit zu warten, ist keine Seltenheit, erzählt Abdullah. Aber um vom Strand wegzukommen, hätten sie eine ganze Weile wandern müssen. Ein Autofahrer habe ihnen aus dem Fenster den Hitlergruß gezeigt und gerufen, sie sollten sich mal die Haare schneiden. "Das ist aber eine absolute Ausnahme", versichert der junge Mann. Was ihn am Trampen reizt? Nicht immer zu wissen, wo es einen hin verschlägt und wie lange man braucht, die interessanten Gespräche und nicht zuletzt der Umweltaspekt. Wenn man ohnehin in die gleiche Richtung will, warum nicht die Abgasschleuder vollpacken?

Auch in Deutschland hat er nie Probleme, an sein Ziel zu kommen, sagt Abdullah. Das überrascht mich ein wenig. Denn wenn ich Freunden erzähle, dass ich Anhalter mitnehme, kommt sofort der Satz: "Bist du mutig!" Und das in eher zweifelndem Tonfall. Ist es möglich, von einem kurzen Blick aus dem Fenster auf den Charakter eines Menschen zu schließen? Ich weiß es nicht. Aber ich bilde es mir ein. Und bislang bin ich noch nicht überfallen und ausgeraubt worden, sondern hatte einfach eine gute Zeit: mit den beiden Jungs, die ich nach Silvester von Bayern bis Hessen mitnahm und die mir von einer Straßenparty in Italien erzählten. Keiner verstand den anderen, alle tanzten. Mit dem polnischen Pärchen, das an einem Feiertag im strömenden Regen nahe Chojna stand, weil kein Bus fuhr. Er sprach gut Deutsch und gab mir Tipps, wo die Blitzer auf der Strecke stehen. Ich kenne Leute, die fahren nicht mal zum Tanken nach Polen, weil sie sich im Nachbarland unwohl fühlen. Manchmal scheint das sogar gerechtfertigt, wenn man an den Tankstellenkrieg von Krajnic Dolny, drei Kilometer vor Schwedt, denkt. Aber das heißt nicht, dass ich ein junges Paar zitternd am Straßenrand stehen lasse.

"Du solltest auch mal Anhalter ausprobieren", sagt Abdullah. Wobei er zugeben muss, dass er bislang nur eine einzige Frau getroffen hat, die alleine als Tramperin unterwegs war. Bis nach Belgrad, das fand selbst er gefährlich. Aber ob ich nicht jemanden hätte, der mitmacht? "Schönere Erlebnisse findest du nicht." Und erzählt mir von der Autofahrerin, die mit jugendlichen Nazis diskutiert, um ihnen einen Weg aus ihrem Hass zu zeigen. Na, ich zögere noch. Und bis ich den Mut finde, lasse ich mir von anderen ihre Abenteuer erzählen, die sie am Straßenrand und in fremden Autos erlebt haben. Da fällt mir ein: Ich hoffe, die beiden hatten ein Handtuch dabei...

Freitag, 11. Juli 2014

Merkel for Queen!

Manchmal ist die Wortwahl entlarvend. Wolfgang Schäuble hat in einem Interview bei Phoenix verraten, dass Kanzlerin Angela Merkel "not amused" sei angesichts der neuen Spionageaffären von US-Geheimndiensten. Übrigens: Deren oberste Repräsentant wurde nicht "ausgewiesen", wie verschiedene Medien schreiben, auch wenn sich die Süddeutsche noch etwas glücklicher ausdrückt als die Welt. Die "Aufforderung zur Ausweisung" (hä?) soll eben verhindern, dass die Bundesregierung zum ultimativen Affront greifenund ihn zur "persona non grata" erklären muss. Mir scheint, die deutsche Medienlandschaft ist kollektiv überrascht, dass Merkel endlich mal klare Worte findet, nachdem sie beim NSA-Abhörskandal doch eher zurückhaltend agierte.

Wortwahl ist mein Thema. "Bei der britischen Königin würde man sagen: not amused" war Schäubles genaue Aussage. Flapsig gemeint, klar, aber interessant. Ist Angela Merkel nicht nur "Mutti", sondern auch Königin von Deutschland? Weil sie unangreifbar scheint, immer gediegen, repräsentativ, gefasst, selten echte Gefühle zeigt? Das Bild meiner Mutter von der englischen Königin wird durch eine winzig kleine Episode geprägt, die vor vielen Jahren im Fernsehen am Rande zu sehen war: Elisabeth II. kehrte von einem Staatsbesuch zurück und wurde am Flughafen mit allem Pomp empfangen. Mit dabei auch der kleine Charles, damals nur wenige Jahre alt, herausgeputzt an der Hand seiner Nanny. "Sie hat ihn nicht mal angesehen, während sie die ganzen Politiker begrüßt hat", erzählt meine Mutter noch heute. Das hat sie der Queen nie verziehen, viel mehr als die zurückhaltende Reaktion angesichts des Todes von Lady Diana.

Den Faden kann man weiterspinnen: Die Queen regiert auf Lebenszeit - Merkel forever? bitte nicht! Aber tatsächlich scheint es aktuell keine Alternative zu ihr zu geben, solange der rote Koalitionspartner keinen Sympathieträger gegen sie aufstellen kann. Die englischen Royals stehen wie die deutsche Regierung unter Sparzwang. Und auch wenn Angela Merkel nicht zuletzt ob ihrer Frisur als Zielscheibe des Spottes angefangen hat, entwickelt sich ein Kult um ihren Stil, ob sie beim Fußball jubelt, beim Kanzlerduell eine scheinbar "falsche" Kette trägt oder ihre Hände in der "Merkel-Raute" hält. Die hat sie sich übrigens von Mr. Burns, dem Atomkraftwerk-Besitzer aus den "Simpsons", abgeschaut und einfach umgedreht, damit sie nicht so böse aussieht - "ausgezeichnet". Obwohl keiner so recht weiß, wofür Angela Merkel eigentlich steht, sind 71 Prozent der Deutschen mit ihrer Politik zufrieden. Selbst ich kann mir manchmal nicht helfen und freue mich, wenn ich sie als bunten Farbfleck inmitten der Anzüge anderer Regierungschefs stehen sehe. Dabei, finde ich, nutzt es nichts, sich über die erste Frau an der Spitze eines Staates zu freuen, nur weil sie eine Frau ist.

An einem Punkt hören die Gemeinsamkeiten zwischen Merkel und der britischen Monarchin auf: Die Queen ist zwar das Staatsoberhaupt von Großbritannien, hat aber keine wirkliche Macht. Den Eindruck macht Angela Merkel nun nicht, auch wenn man nicht genau weiß, welche Lobbyisten wo die Strippen zu ziehen versuchen. Würde sich Schäuble manchmal wünschen, "Mutti" hätte nicht so den Daumen drauf?