Dienstag, 8. März 2016

Zum #Frauentag: Die Vorbilder meines Lebens

Ich möchte an diesem Internationalen Frauentag nicht über die großen Namen der Geschichte schreiben, die bahnbrechende Errungenschaften für die Rechte der Frau erkämpft und Grenzen überschritten haben. (Auch wenn ich gestern Abend ein sehr schräges Video auf einem meiner Youtube-Comedy-Kanäle entdeckte, wie junge Amerikaner unsere Kanzlerin und "mächtigste Frau der Welt" wahrnehmen.) Mir geht es hier und jetzt nicht um Politik, sondern um Frauen, die mein Leben beeinflusst haben, ganz persönlich.

Vorbilder ist das falsche Wort. Ich habe keine Vorbilder in dem Sinne, dass ich wie jemand sein möchte. Jeder Mensch muss seinen eigenen Weg finden, um mit sich zufrieden zu sein. Das heißt aber nicht, dass es nicht Menschen gibt, die ich bewundere für Charaktereigenschaften und Dinge, die sie getan haben.

Frauen, die mein Leben prägten - da steht natürlich ganz vorne meine Mutter, ganz klar. Manche Ratschläge, die sie mir gegeben hat, haben sich mir einfach eingebrannt, auch wenn sie sich selbst teilweise gar nicht mehr an diese Gespräche erinnert. Immer sehr geradeaus: "Na, dann geh doch nach Neuseeland!" Und in dem Kopf der Schülerin, die gerade von Fernweh lamentiert, macht es plötzlich "Plop" und ich begreife, dass mir nach dem Abi wirklich jeder Weg offen steht. (Den ich mir leisten kann, aber diese Ernüchterung hat den Aha-Moment nicht geschmälert.) Es ist eben ein Unterschied zwischen es intellektuell wissen und tatsächlich begriffen zu haben. Ebenso, wie es mir sehr viel bedeutet hat, als ich ihr jüngst sagte: "Ich weiß, euch wäre es lieber, ich hätte einen festen Job und regelmäßiges Einkommen" und sie antwortete: "Nein. Weil ich sehe, wie viel glücklicher du bist mit deiner Selbständigkeit."

Sehr beeindruckt hat mich im Alter von 14 die Begegnung mit Chris in der Wildnis von British Columbia. Eine Biologin, die dort allein in einem selbstgebauten Holzhaus wohnte, das nur per Wasserflugzeug oder zu Fuß zu erreichen war. Sie erforschte die kanadische Tierwelt, führte kleine Gruppen Naturinteressierter über die Berge, zeichnete, schrieb auf ihrem solarbetriebenen Computer und backte wunderbares Brot in ihrem Holzofen. Jahre später habe ich sie mal gegoogelt, um überhaupt ihren Nachnamen zu erfahren, und eines ihrer Bücher gekauft. Wer mal richtig Fernweh kriegen will, muss sich nur ihren Blog anschauen!

Diese Kanada-Reise mit meinem Vater brachte mir die Begegnung mit einer zweiten tollen Frau ein: unserer Reiseleiterin Angelika. Sie war eine der ersten Berufs-Busfahrerinnen von Deutschland, auch wenn der Fahrprüfer sie wegen eines angeblichen Rechts-vor-Links-Vergehens durch die erste Prüfung rasseln ließ: "Der Fuß gehört auf die Bremse und eine Frau nicht hinter das Steuer eines Busses." Sie zwang mich, für den Rest der Gruppe die Übersetzerin zu spielen und mein Englisch zu üben, brachte mir das kraftsparende Laufen bei und organisierte am Ape Lake ein Boccia-Spiel mit runden Steinen. Sechs Jahre lang schrieben wir uns nach der Tour noch Briefe, und 2002 schloss ich mich wieder einer ihrer Reisegruppen an, diesmal ab anderen Ende der Welt, in Neuseeland.

Mein Leben wäre wahrscheinlich ganz anders verlaufen, hätte mich nicht kurz vor meinem 15. Geburtstag eine Elli Radinger angerufen. Sie hatte eine Kurzgeschichte von mir auf der Kinderseite unserer Zeitung gelesen und fragte, ob sie sie im "Wolf Magazin" drucken dürfe.  Das war der Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit, die bis heute andauert: Anfangs schrieb ich Kurzgeschichten und Buchrezensionen, später groß angelegte Reportagen. Elli vermittelte mir den Kontakt zu Werner Freund, 2006 führte sie mich durch den Yellowstone Nationalpark auf Wolfbeobachtungstour für meine Diplompraxisarbeit. Allein ihre Biografie zu lesen, hat mich wohl langfristig dazu inspiriert, mich selbständig zu machen, obwohl sie eine derjenigen war, die mich am deutlichsten auf die Gefahren hinwies. Danke, meine Liebe!


Es gibt noch viele starke Frauen, die mein Leben begleitet haben (meine Deutschlehrerin Frau Stein, die Goethe vom Sockel holte und die ansteckendste Lache der Welt hat; Maria Held, meine Patin im Journalistik-Studium mit "Arbeitskaffee" und den ermutigendsten Wünschen zum Diplom; Agathe Kunze, mit 91 Jahren eine brilliante Zeitzeugin für meine Diplomarbeit, die mich während meiner Zeit in Stuttgart regelmäßig zur "Veschper" mit intellektuellen Diskussionen einlud, und viele andere). Und es kommen immer wieder neue hinzu, wie meine liebe Kollegin, die Textehexe, die mir den Start in die Selbständigkeit sehr erleichtert hat und großzügig ihre Erfahrung mit mir teilt. (Ich freu mich auf einen Zwergenschnaps in Leipzig!) Ihnen allen möchte ich auf diesem Weg vielen, vielen Dank sagen. Ihr seid klasse! Ich hoffe, ich kann irgendwann auch mal für ein Greenhorn so eine große Stütze sein.


Freitag, 5. Februar 2016

Gekaufte Rezensionen: Ein Appell an Selfpublisher

Eine Bloggerin schreibt über Selfpublisher und ihre Werke, führt kleine Interviews mit ihnen und verlinkt auf die Verkaufsseite. Toll! Immer wieder finden sich echte Schätze unter den Massen an selbstveröffentlichten Büchern. Der überforderte Leser kann jede Hilfe brauchen, sie auszugraben. Und auch diejenigen, die sich um gute Qualität in einem völlig offenen Markt bemühen. Vor allem, weil der Streit, ob Verlage das einzig Wahre sind, immer noch andauert.

Wie bitte? Die Bloggerin nimmt 15 bis 18 Euro für eine Autorenvorstellung? Von dem Autor selbst? Das ist kein Geheimnis, es steht ganz oben über der Liste mit Namen (zum Teil klein geschrieben), direkt bei dem "<3". Herzig, genau. Das sind die Interviews: Erinnern ein bisschen an Schülerzeitung, tun nicht weh. Rezensionen soll es wohl auch bald geben, aber noch führt der Link ins Leere. Ich bin mal gespannt, ob da früher oder später auch mal ein Verriss von einem Buch auftaucht, mit dessen Autor die Bloggerin so nett (und gegen Geld) geplaudert hat.

Man kann ihr nicht mal Irreführung vorwerfen, sie bietet ihre Dienste ja ganz öffentlich an. (Und nein, ich setze hier nicht den Link. Ich nenne keine Namen. Ich sage nicht, wie ich auf sie stieß. Ich stelle niemanden bloß, der sich nicht angesprochen fühlt.) Aber das heißt in meinen Augen auch, dass sich diese Dame kein einziges Mal Gedanken gemacht hat, was journalistische Verantwortung bedeutet. Zumindest hoffe ich das, sonst wäre es noch schlimmer. Kein Wunder, diese Verantwortung vergessen ja auch professionelle Journalisten öfter im Eifer des Gefechts. Aber diese Bloggerin bewegt sich online, sie bedient ein Medium (auch wenn es ihr eigenes ist), vielleicht hat sie Leser, die ihrem Urteil vertrauen. Realisieren diese Leser immer, dass sie gekaufte Inhalte lesen?

In meiner Heimatstadt sprechen viele Leute vom Anzeigenblatt als "Zeitung". Sie müssen nicht mehr die Tageszeitung abonnieren, weil ihnen in ihren Augen das Wichtigste ja auch so sonntäglich kostenlos ins Haus flattert. Dass die Inhalte dieses Anzeigenblatts nur deshalb diese Qualität besitzen, weil es sich bei der im gleichen Verlag erscheinenden Tageszeitung bedienen darf, daran denken sie nicht. Geht die Zeitung eines Tages aus Lesermangel ein, wird auch die Qualität des Anzeigenblatts abstürzen. Nun ist ein Anzeigenblatt als solches gekennzeichnet - trotzdem machen sich die Leser keine Gedanken, was das bedeutet: Ein Anzeigenkunde nimmt Einfluss. Er möchte nicht neben einem kritischen Artikel erscheinen, selbst dann nicht, wenn es nicht um ihn geht.

Ein Verlag ist ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen, das von den Anzeigenkunden fast ebenso abhängig ist wie vom Leser - ein gutes Drittel seiner Umsätze macht er mit ihnen. Das ist schon ein ganzes Stück weniger als noch vor fünf Jahren, aber das bedeutet leider nicht, dass Zeitungen sich dann wieder mehr dem Leser verpflichtet fühlen. Vielmehr werden die Redaktionen immer weiter zusammengespart, immer weniger Leute müssen unter immer mehr Zeitdruck Seiten füllen - und greifen dann auch mal auf einen Agenturtext zurück, der - Überraschung! - von einem bestimmten Kunden bezahlt wurde. Und manchmal - ich hab es selbst erlebt - wird der Journalist losgeschickt für einen eindeutigen Anzeigentext. Das war nach den Medienethik-Seminaren in Eichstätt durchaus ein Kulturschock.

Der Streit um die Unabhängigkeit der Redaktionen ist so alt wie meine Branche. "Wie kann ein Blatt dem öffentlichen Interesse dienen, das gleichzeitig über den Inseratenteil jedem zahlungsfähigen Privatinteresse zur Verfügung steht?", schrieb Erich Schairer schon 1929 in seinem Jahrbuch der Sonntags-Zeitung, kurz nachdem ihm das Kunstück geglückt war, sämtliche Anzeigen aus seinem Blatt zu verbannen. Das Internet bietet nun ganz neue und fantastische Möglichkeiten, sich von eben jenen Privatinteressen frei zu machen. Die Krautreporter scheinen ganz gut zu fahren mit ihrem Crowdfunding-Qualitätsjournalismus, und sie sind da nicht die Einzigen.

Und auf der anderen Seite öffnet das Internet die Türen für Leute wie besagte Bloggerin, die sich fröhlich für - letztlich journalistische - Inhalte bezahlen lässt. Vor Jahren machte ich ein Praktikum im Reisejournalismus, der wie kaum ein anderer Bereich der Gefahr der Korruption ausgesetzt ist. Ein Kollege sagte ganz offen: Er veröffentlicht alles, solange der Preis stimmt. Und auch die Veranstalter der Pressereise müssten noch einiges abdrücken, wenn er über sie schreiben soll. Und dieses T-Shirt da will er auch umsonst. Macht es das besser, dass er so offen damit umgeht? Nein!

Wer im Netz mit welchen Interessen was schreibt, ist unglaublich schwer nachzuvollziehen. Zeitungen werden wenigstens kontrolliert und notfalls vom "zahnlosen Tiger" gerügt. Ich will nicht, dass das Internet zu stark kontrolliert wird. Aber jeder Nutzer sollte sich bewusst sein, dass er nicht alles für bare Münze nehmen darf. Selbst wenn nicht offensichtlich Interviews verkauft werden, gibt es Gemauschel. Gekaufte oder getauschte Rezensionen bei Amazon sind schon lange ein Streitthema unter Selfpublishern. Ich habe natürlich auch schon die Bücher meiner Freunde positiv bewertet und bin dabei vielleicht nicht sonderlich objektiv. Aber sie gefallen mir wirklich und ich habe dafür keine Gegenleistung bekommen. Gefällt mir eines nicht, sag ich das der Freundin unter vier Augen und halte sonst die Klappe.

Aber sich Rezensionen zu kaufen ist nichts anderes als rücksichtslos.Ich kann diesen Menschen nichts anderes unterstellen als selbstsüchtige Motive. Wer so etwas tut, schreibt nicht aus Liebe zur Kunst, zum Thema oder zum Leser, sondern allein, um sich zu bereichern. Und auch wenn ich selbst jemand bin, der vom Schreiben lebt (und auch Corporate Publishing anbietet, was ich aber sehr genau trenne), kann ich das nur verachten. Deshalb bleibt auch mein böses Magendrücken, wenn Buchblogger nicht frei und ehrlich ihre Meinung schreiben, sondern sich einem Autorenkunden verpflichtet fühlen, und sei es nur unbewusst. Wer allein zu Hause vor seinem Computer sitzt, sollte eben selbst auf die Trennung von Redaktion und Anzeigen achten.

P.S. So kann man übrigens gekaufte Rezensionen eventuell erkennen

Freitag, 15. Januar 2016

Neues Jahr und Hexenschuss

Ja, was ist denn das? Weihnachten ging vorbei und kein Beitrag von mir, Silvester ... Da war ich auf einer Rollenspiel-Convention in anderen Welten vergraben. Jetzt wollte ich mit einem, genialen Beitrag das Jahr 2016 einläuten, stolz verkünden: I'm back! Leider ist es mehr zu "My back" geworden (ein Witz, den nur versteht, wer Spiderman 2 auf Englisch gesehen hat). Vielleicht ist es eine Spätfolge des euphorischen Bücherkistenschleppens, jedenfalls habe ich bösartigste Rückenschmerzen und kann kaum eine Viertelstunde am Stück am Schreibtisch sitzen. Das wäre eine gute Gelegenheit für eine Klage über die Verteilung von Fachärzten in Brandenburg. Angeblich sind wir sogar überversorgt. Aber wenn ich anrufe mit: "Kann mich kaum bewegen und mein Bein ist taub" und bekomme zurück: "In drei Wochen können wir Sie dazwischenschieben", hört sich das für mich nicht so an. Aber ich bin gerade zu müde für Politik. Und hab zum Glück Berlin in relativer Nähe, wo ein Orthopäde noch die Kapazität hat, einen Notfall als Notfall zu behandeln. Aber erstmal bleibt mir nur übrig, auf den MRT-Termin zu warten und Tee zu trinken (danke, Mr. Rickman, für all die großartigen Momente). Bald scheint auch wieder die Sonne!


Montag, 7. Dezember 2015

Kinder und der Wolf: Über den Unterschied von Klischee, Angst und Vorsicht


"Die sind doch gar nicht böse!" Hach, was liebe ich Kinder manchmal. Gerade haben wir die ganzen Märchen durchgehechelt und analysiert, welchen Eigenschaften dem Wolf darin zugeschrieben werden: intelligent, hinterhältig, böse. Aber wenn ich sie frage, warum der Wolf so böse ist, bekomme ich diese Antwort. Weil sie das Fabelwesen im Kopf gar nicht mit dem konkreten Tier in Verbindung bringen. Weil sie zwar die Geschichten kennen, aber die Vorurteile (noch) nicht verinnerlicht haben. Deshalb finde ich es so wichtig, mit Wolf-Seminaren an Schulen, Mehrgenerationenhäuser, sogar Kindergärten ranzugehen.


Ängste sind trotzdem da, auch wenn Kinder es nicht immer zugeben wollen. Wenn ich ihnen am Beginn ein Wolfsheulen vorspiele, sind mir schon manche zusammengezuckt - andere haben umso breiter gegrinst. "Gruselig" klingt es, und wenn sie sich vorstellen, alleine im Wald sowas zu hören ... Aber wann sind Kinder mal alleine im Wald? Die bislang naheste Begegnung mit einem Wolf in Deutschland hatte eine Hundebesitzerin aus Niedersachsen - und wenn die Jäger sich darüber beschweren, dass sie nichts anderes machen könnten, als den Wölfen klatschend hinterherzurennen, sage ich nur: Ja, macht das! Wenn ein Wolf zu wenig Scheu zeigt, greift man im Yellowstone Nationalpark auch erstmal zu Verschreckungsmaßnahmen. Warum wird immer gleich nach dem Abschuss geschrien? Neugierige Wölfe und faule Wölfe, die die kürzeste Strecke durch ein Wohngebiet nehmen, sind nicht automatisch gefährlich.


Kinder sind da noch ganz weltoffen. Als ich beim Jubiläumswochenende der Stadt Schwedt mit meinem Infostand in der Fußgängerzone war, konnte ich das selbst erleben. Aber auch über die kritischen Fragen der Erwachsenen hab ich mich gefreut. Das ist besser, als mit bösem Blick vorbeizugehen und im letzten Moment "Abknallen sollte man se!" zu zischen. Das nützt niemandem was. Besser ist es, darüber zu sprechen, wie man sich verhält, wenn man einem Wolf begegnet, über Schutzmaßnahmen für Nutztiere ... Ich verstehe Landwirte, die sich über den Mehraufwand ärgern. Aber, ganz ehrlich: Jahrhundertelang haben die Menschen Schafe gezüchtet, nur im letzten mussten sie dabei auf Übergriffe von Raubtieren verzichten. Ich denke, wir müssen uns einfach darauf besinnen, wie der Job richtig gemacht wird. Wer allerdings die Welt rein nach "Nützlichkeit" einteilt und alles, was ihn irgendwie stört, abknallen, abhacken, wegreißen will - mit dem ist es schwer zu diskutieren, weil wir eine zu unterschiedliche Philosophie vom Leben haben.


Mittlerweile hab ich schon eine kleine Sammlung an Bildern, die Kinder in meinen Seminaren malen. Das hier von Pauline finde ich super: Mama Wolf bringt dem Welpen einen toten Hasen - da ist nichts beschönigt, verhätschelt, aber da ist auch keine Angst. Der Wolf ist ein wildes Tier, nicht mehr und nicht weniger. Und das Thema spricht gerade Jungs an: Bei zwei Vorlesetagen an der Schwedter Grundschule am Waldrand habe ich schon feststellen können, dass gerade die, die sonst gern auf dem Stuhl rumzappeln, mir bei Wolfsgeschichten förmlich an den Lippen kleben. Wenn es zur großen Pause klingelt und Kinder still sitzen bleiben, weil sie hören wollen, was ich noch zu sagen hab - ein größeres Kompliment kann man nicht kriegen.

Verstehen lernen: Bei Wölfen geht viel über die Körpersprache


Die Wölfe sind da. 37 Rudel und sechs Paare nach dem aktuellen Stand. Ich musste zwar noch auf die andere Seite von Berlin fahren, um eine (höchstwahrscheinlich) echte Wolfsspur zu finden (obwohl wir schon soooo gesucht haben).

Kleinere Hinterpfote sauber in den Abdruck der größeren Vorderpfote gesetzt,
 schnurgerader Verlauf über hunderte von Metern - könnte das Original sein

Sie sind freiwillig gekommen, weil sie sich hier wohlfühlen, weil es schon früher ihr Zuhause war. Sie brauchen keine Wildnis. Mit Vorsicht und Respekt können wir gut zusammenleben. Ich freue mich immer noch auf meine erste "deutsche" Wolfsbegegnung.

P.S. Der Titel des Beitrags ist natürlich an "Peter und der Wolf" angelehnt. Hab's gerade mal wieder gehört und dachte mir: Für seine Zeit - 1936 - ist es geradezu erfrischend, wie wenig echte Böse-Wolf-Klischees darin vorkommen. 1. Hat nur der Großvater vor dem Wolf Angst (der Alte, der die Schauergeschichten kennt), nicht Peter. 2. Kommt der Wolf erst aus dem Wald, nachdem die Menschen von der Wiese verschwunden sind. 3. Schnappt er sich die Ente, das langsamste und dümmste Tier, das nicht mal zu fliegen versucht. Dass die Jäger wild auf den Wolf losballern, der schon längst gefangen ist, finde ich auch interessant. Ein Glück nur, dass in Realität Wölfe nie Beute lebendig verschlucken. Nie wird gesagt, dass die Ente märchenmäßig aus dem Bauch befreit wird - also wird sie jetzt langsam und qualvoll verdaut?

Freitag, 20. November 2015

Lektorin im Interview - also ich

Bislang bin ich diejenige gewesen, die Interviews geführt hat. Mal auf der anderen Seite zu stehen, hat einen Riesenspaß gemacht. Autorin Charlotte Cole, eine meiner Selfpublishing-Kunden, hat sich ein paar lustige Fragen an ihre Lektorin ausgedacht: http://charlottecolewrites.com/2015/11/19/wanderlust-vampire-pralinen-ein-interview-mit-meiner-lektorin-andrea-weil/

Mittwoch, 18. November 2015

Paris, Terror und persönliche Angst

Habe ich Angst?

Ich glaube, irgendwann um halb zwei in der Nacht von Freitag auf Samstag, als ich immer noch mit vor Müdigkeit brennenden Augen vor dem Fernseher saß und die Nachrichten aus Paris verfolgte, hatte ich einen kurzen Moment lang dieses "Als nächstes Berlin"-Gefühl, das mir den Magen zusammenpresste. Aber nur für den Bruchteil einer Sekunde. Ich habe mal versucht, mir vorzustellen, wie es wäre, wie meine syrische Freundin Nadra aus meiner umkämpften Heimat zu flüchten. Habe versucht mir vorzustellen, das Knallen abends sei kein Polenböller, den ein übermütiger Jugendlicher losgelassen hat, sondern Geschützfeuer. Habe mich in der Wohnung umgesehen und überlegt, was ich einpacken würde, wenn ich nur fünf Minuten hätte zur Flucht. Aber auch wenn ich Fantasie habe, ich fühle es nicht. Alles bleibt an der Oberfläche.

Das ist sicher eine Art Schutzmechanismus meines Gehirns. Empathie ja, aber bitte nicht so viel, dass mich die Angst lähmt. Oder die Arroganz des jungen Menschen, der nie ernsthaft verletzt wurde und sich unbewusst für unsterblich hält? Vor gut zwei Jahren wurde ich mit Verdacht auf Krebs ins Krankenhaus gesteckt und eine Woche lang komplett umgekrempelt auf der Suche nach einem Tumor. Als mir die Ärztin das am Telefon ankündigte, brach ich erstmal in Tränen aus. Doch gleich darauf folgte eine seltsame Taubheit, und am nächsten Morgen war ich völlig ruhig. Das konnte einfach nicht sein, Punkt. Und es war am Ende tatsächlich nichts. Trotzdem war diese Woche, in der ich dachte, ich könnte sterben, wohl der Auslöser, dass ich mein Leben komplett umgekrempelt und mich selbständig gemacht habe. Mich auf das besonnen habe, was mir wichtig ist. Aber nicht sofort, nicht wie im Film. Das ging schleichend über Monate.

Mitfühlen hat auch mit Nähe zu tun. Am Freitag dachte ich plötzlich wieder an den Ex einer Cousine, der Polizist in Paris ist. Dabei ist es rund 20 Jahre her, dass die beiden sich getrennt haben. "Nähe" ist ein Nachrichtenwertfaktor. Deswegen sind wir von Paris mehr aufgestört als von dem Krieg in Syrien. Umso beeindruckender finde ich, dass sich viele Libanesen jetzt solidarisieren. Gestern also eine Drohung gegen das Länderspiel in Hannover. Terrorwarnung statt Zeichen gegen Terror. "Die Lage ist ernst." Der Innenminister will keine Details nennen, um die Bevölkerung nicht zu beunruhigen - eine Aussage, die erst recht beunruhigt.

Habe ich Angst? Nein.

Helge Schneider übrigens auch nicht. Zumindest spielt er Gelassenheit in dem Video, in dem er die Absage seiner Veranstaltung verkündet. Ich glaube, jenseits der Darbietung mehr Wut als Angst zu erkennen. Wut auf die Terroristen, die sich einbilden, einen gerechten Krieg gegen Ungläubige zu führen oder was auch immer. Und Trotz, dass sich niemand unterkriegen lassen soll. "Wenn das so weitergeht und ich am Ende morgen auch nochmal absagen muss - dann komm ich Donnerstag wieder."

Also nicht nur ein Schutzmechanismus, sondern auch Trotz. Wieder stand Paris im Fokus der Terroristen und eine Konzerthalle, wo sich nach dem Bekennerschreiben der IS "Götzendiener" träfen. Dass sie sich den Abend des Freundschaftsspiels zwischen Deutschland und Frankreich ausgesucht haben, zeigt, dass sie uns alle treffen wollten. Uns? Unwillkürlich habe ich dieses Wort verwendet. Doch so, wie mir Anfang des Jahres das "Je suis Charlie" im Hals steckenblieb, kann ich jetzt auch nicht "Je suis Paris" teilen - weil ich nicht in dieser Situation war, weil ich es, wie gesagt, nicht wirklich mitfühlen kann, obwohl ich mitfühle. Ja, natürlich ist das einfach eine Art der Solidaritätsbekundung, aber das sollte jeder auf die Art machen, mit der er sich wohlfühlt. Umgekehrt ist mir auch schon in einem Forum angedeutet worden, ich sei ein Heuchler, der mit dem Mitleidsstrom schwimmt, weil es gerade "in" ist. Solche Diskussionen, wie sie gerade online geführt werden, machen mich genauso fassungslos wie Oliver Kalkofe. Das ist der Opfer einfach nicht würdig.

Beten kann ich auch nicht für Paris, denn ich bete nicht. Ich kann Joann Sfar, den Karikaturisten von Charlie Hebdo, sehr gut verstehen mit seiner Botschaft. Bei allem Respekt vor dem ehrlichen Glauben mancher meiner Freunde, ich frage mich manchmal auch, ob die Welt ohne Religion als (vorgebliche) Begründung für Kriege besser dran wäre. Auf der anderen Seite geben Gebete vielen Menschen Kraft, um solch schwere Zeiten durchzustehen, und jede enthält eine Friedensbotschaft. Es gibt eben keine einfachen Antworten auf der Welt, wenigstens nicht auf die entscheidenden Fragen. Auch wenn die, die sie scheinbar liefern, gerade wieder populär werden. Auch wenn ich sie mir manchmal selbst wünschen würde. Aber da muss ich halt durch.

Donnerstag, 5. November 2015

DDR-Alltagsgeschichten aus Schwedt



Als das Publikum anfing, an den richtigen Stellen zu lachen, hat sich in meinem Innern ein richtiger Knoten gelöst. Gestern hab ich meine erste Lesung eines eigenen Werks erfolgreich über die Bühne gebracht: Weißt du noch? Mitten aus'm Schwedter DDR-Alltag. 

Zu jung, zugezogen, Wessi - kein Wunder, dass der Verlag am Anfang leichte Besorgnis anmeldete, ob ich die richtige Autorin für diesen Beitrag zu ihrer Serie wäre. Aber ein Telefongespräch und die Fürsprache des Stadtmuseums haben diese Zweifel ausgeräumt, und vor allem die ersten Leseproben. Monatelang war ich in der Stadt unterwegs und quetschte über 30 Interviewpartner zu den verschiedensten Lebensbereichen aus, durchstöberte Archiv und Chroniken, und am Ende hat Frau Dittberner noch die kleinen Fehlerchen korrigiert, die sich so einschlichen. Für Schwedter ist es so selbstverständlich, dass die Centra-Gaststätte "Schwarzer Panther" genannt wurde, wie sollte ich ahnen, dass das nicht zwei verschiedene Lokale waren?

Vergangene Woche hab ich mir dann so richtig schön den Rücken verramscht, als ich das Bücherpaket aus der Post zum Auto trug. Ich hätte mir den Lieferschein vorher ansehen sollen: 32 Kilo, danke schön. Aber das Gefühl, die Nase in das druckfrische Buch zu halten, hat alles wieder wett gemacht.



Das Manuskript hatte ich ja schon vor Monaten beim Verlag abgegeben und ganz aus den Augen verloren. Jetzt durchblättern und feststellen: Schön ist es geworden, das war toll. Auch wenn man gleich ein kleines schlechtes Gewissen hat: Ist das jetzt eitel? Nee, warum soll man sich nicht über eine gute Arbeit freuen, nur weil es die eigene ist?

Ruft der Kollege aus der Zeitungsredaktion an. "Hast du ne Minute?"
"Klar", sage ich und denke, er hat einen Auftrag für mich.
"Wie alt bist du eigentlich?"
Rausgekommen ist ein Artikel, der mich schon deswegen stolz macht, weil ein Einheimischer mir bescheinigt, den richtigen Ton getroffen zu haben. Die Gratwanderung ist mir gelungen, nicht in Ostalgie abzugleiten und zu beschönigen, aber eben doch die Menschen anzusprechen, die in diesem Land einfach auch gelebt haben und die zurecht nicht wollen, dass ihre Leistungen abgetan werden. Neben der Arbeit noch ein ganzes Waldbad zu bauen, ist für Laien kein Pappenstiel! Das moderne Krankenhaus, die Kitas...


Am Dienstag haben dann einige Passanten nicht schlecht geschaut, als ich für Uckermark-TV einen Sitzsack durch die Gegend schleifte und einfach so vor dem Kaufhaus anfing, laut vorzulesen. Natürlich war ich aufgeregt, aber zum Glück hat mich das nicht dran gehindert, zu lesen und im Interview rüberzubringen, was mir wichtig ist. Übung macht halt doch den Meister. Als ich zum ersten Mal für meinen Chor beim Frühlingskonzert Gedichte vortragen sollte, ging mir die Stimme weg. Jetzt bin ich sogar zur Moderatorin ernannt und hab mal einen Gottesdienst gehalten (andere, lange Geschichte), da weiß ich wenigstens, dass ich mich auf meine Stimme  verlassen kann.



Aber die ersten paar Minuten im Berlischky-Pavillon (tolle Akustik, hab ich schon beim Chorauftritt geliebt!) vergingen trotzdem ein bisschen wie im Nebel. Danke übrigens an Herrn Scheffler, dem ich meinen Fotoapparat in die Hand drücken durfte. Kleine Anekdoten lassen sich zum Glück recht leicht vorlesen, mit den passenden Bildern noch dabei, dass mich nicht alle anstarren. Wenn ich mal durcheinanderkam, trat ich die Flucht nach vor an - "Oh, da hab ich mich gerade verhaspelt, ah, hier geht's weiter" - und das Lachen war freundlich. Ein paar meiner Interviewpartner waren da und drückten mir am Ende warm die Hand, das ist das schönste Lob, dass sie sich in dem Buch wiederfinden.

Mal sehen, wie das wird, wenn ich erstmal ein komplett fiktionales Werk in Händen halte. Der Vertrag für meinen Vampirroman ist ja schon unterschrieben. Das Genre ist immer noch nicht ausgelutscht in meinen Augen, höhö.